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SEBASTIAN STEUDE
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Schottische Highlands

Zugegeben, ein Geheimtipp ist der West Highland Way sicherlich schon lange nicht mehr. Vor allem das zweite Teilstück ab Tyndrum ist landschaftlich natürlich dennoch nach wie vor wunderschön und führt durch eine der einsamsten Regionen Europas.

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Als wir mit dem Fernbus Tyndrum bei recht gutem Wetter erreichen, begrüßt uns als erstes am Ortseingang eine wild blinkende Tafel mit einer „Heavy rain forecast“. „Das fängt ja gut an“, denken wir, aber irgendwie gehört Regen auch zu einem Schottlandurlaub dazu. Am nächsten Morgen brechen wir bei bewölktem, aber ansonsten freundlichem Wetter auf. Von Regen keine Spur. Auf einem schönen Schotterweg, der die ersten Kilometer meist entlang einer kleinen Bahntrasse führt, lassen wir rasch die wenigen Häuser von Tyndrum hinter uns. Bald baut sich vor uns der mächtige Gipfel des Beinn Dorain auf. Von dieser Seite wirkt der Berg wie eine gigantische grasbewachsene Pyramide. Entlang seiner steilen Flanke gelangen wir in das kleine Dorf Bridge of Orchy. Kaum sind wir drin, sind wir auch schon wieder draußen und beginnen im nun aufziehenden Regen mit dem Anstieg zu einem kleinen Pass oberhalb des Loch Tulla. Dort wollen wir uns auch einen Zeltplatz für die Nacht suchen. Ein kurzes Stück geht es nun durch Wald bergan, bevor wir wieder die typischen schottischen und vor allem extrem sumpfigen Heidelandschaften erreichen. Am höchsten Punkt genießen wir kurz den wunderschönen Ausblick auf den Loch Tulla, der unter uns im Regen liegt. Ebendieser Regen zwingt uns auch dazu, möglichst schnell einen geeigneten Zeltplatz zu finden, was sich allerdings als gar nicht so einfach erweist. Rein theoretisch darf man in Schottland aufgrund des Scottish Outdoor Access Code zwar überall, selbst auf Privatgrundstücken, zelten. Rein praktisch ist dies aber gar nicht so einfach in die Tat umzusetzen, da das Zelten durch viele topographische und natürliche Gegebenheiten eingeschränkt wird. Vor allem in den Highlands ist es nicht einfach, einen felsfreien und halbwegs ebenen Flecken zu finden, der im Idealfall auch noch fließendes Wasser in der Nähe hat. Nach einer gefühlten Stunde habe ich mit großem Glück dann doch den einzigen möglichen Zeltplatz weit und breit gefunden. Als unser Zelt endlich steht, sind wir völlig durchnässt.

Am nächsten Morgen präsentiert sich das Wetter wieder äußerst freundlich. Nach einem kleinen Frühstück gehen wir gut gelaunt aus dem Zelt, um es abzubauen und erleben den blanken Horror. Zugegebenermaßen kann man uns jetzt Naivität vorwerfen, im August, nach einer durchregneten Nacht und an einem windstillen Morgen ungeschützt in den Highlands aus dem Zelt zu treten. Zu unserer Verteidigung kann ich nur sagen, dass wir in den Tagen zuvor kein einziges Mal die Plagegeister gesehen haben und selbst alles was wir im Vorfeld über sie gelesen haben, eine absolute Untertreibung dargestellt hat. Die Rede ist von Midges! Winzig kleine Beißmücken, die jetzt zu Millionen über uns herfallen. Es ist die absolute Hölle! Jede freie Hautfläche versuchen wir irgendwie mit Kleidung zu überdecken und schließlich ziehen wir uns einfach unsere Schlauchtücher über den Kopf. So sehen wir zwar fast nichts mehr, aber immerhin sind unsere Gesichter halbwegs geschützt. Die nächsten Minuten sind wie aus dem Gedächtnis gelöscht, aber irgendwie haben wir es scheinbar geschafft, das Zelt abzubauen. Sobald wir wieder in Bewegung sind, lässt die Midgesattacke nach, aber wehe wir bleiben mal stehen. Das ist ein großes Dilemma, denn der morgendliche Ausblick auf den Loch Tulla ist einfach atemberaubend. Während noch Wolkenschwaden um die gegenüberliegenden Berge wabern, glitzert das Wasser des Sees mit den umliegenden vom Regen noch nassen Bäumen um die Wette.

Die weitere Etappe führt größtenteils über alte, teilweise gepflasterte Militärstraßen durch das riesige Rannoch Moor. Immer wieder geht es über kleine Hügel, die weite Ausblicke über die fast völlig unberührte Landschaft bieten. Kurz vor dem Ende unserer 2. Etappe überqueren wir die A 82, die Hauptverkehrsader dieser Region und betreten den Eingang zum Glen Coe. Das Glen Coe ist das wahrscheinlich berühmteste Tal Schottlands, zum einen sicherlich wegen seiner brutalen Historie, aber auch wegen seiner landschaftlichen Schönheit. Umrahmt wird es von mächtigen Felsgipfeln, die steil und baumlos in das Tal abfallen. Es ist kaum zu glauben, dass die Berge gerade einmal zwischen 700 und 900 Meter hoch sind. Wenige hundert Meter hinter dem Kingshouse Hotel zelten wir am idyllischen Etive River. Der aufkommende Wind hat zum Glück alle Midges verscheucht und so können wir entspannt am Fluss zu Abend essen.

Am nächsten Morgen schüttet es wie aus Eimern und der laue Wind, über den wir uns am Abend so gefreut haben, ist zu einem ausgewachsenen Sturm geworden, der unser Zelt auf eine gehörige Zerreißprobe stellt. Wieder packen wir unsere Sachen im Eiltempo zusammen und brechen auf. Die erste Stunde wandern wir meist in unmittelbarer Nähe der A 82 entlang, bevor sich der Weg nach rechts wendet und zum Devil's Staircase ansteigt. Der Pass markiert mit seinen 582 Metern Höhe den höchsten Punkt des gesamten West Highland Ways. Als wir oben ankommen, hat der Regen zum Glück nachgelassen, so dass wir eine verdiente Pause machen können. Während wir unsere Rucksäcke zurücklassen und zu einem nahen Hügel aufsteigen, kommen zwei Raben, die sich an den Rucksackschnallen zu schaffen machen. Öffnen können sie die Rucksäcke dann aber doch nicht. Nach dem Devil's Staircase beginnt der lange, kniemordende Abstieg nach Kinlochleven auf Meereshöhe. Dafür wird das Wetter immer besser und die letzte Stunde verbringen wir sogar in strahlendem Sonnenschein.

Die finale Etappe ist auch die mit Abstand längste. Knapp 25 Kilometer liegen zwischen Kinlochleven und Fort William. Da wir uns keinen Stress machen wollen, haben wir entschlossen, sie auf zwei Tage aufzuteilen. Bei schönstem Wetter und einem beständig lauen Lüftchen, das uns die Midges vom Leib hält, steigen wir von Kinlochleven durch kleine Laubwälder hinauf zu einem namenlosen Sattel auf 350 Metern Höhe zwischen dem Beinn na Caillich und dem formschönen Stob Ba. Immer wieder lohnt sich auch einen kurzer Blick zurück auf das Tal des River Leven mit dem Loch Leven. Das unbesiedelte Tal, das wir nun durchschreiten, gehört sicherlich zu den schönsten Punkten des gesamten Weges. Vor allem die Ruinen des alten Hofs Tigh-Na-Sleubhaich direkt unterhalb des Sattels liegen traumhaft zwischen den grasigen Berghängen der umliegenden Munros und Corbettes. Kurz vor dem Loch Lundavra erreichen wir ein fast komplett abgeholztes Waldgebiet und ein bisschen wundern wir uns schon, wie die Schotten mit dem bisschen Wald umgehen, das ihnen noch geblieben ist. Kurze Zeit später finden wir auf einer kleinen ebenen Fläche am Nordwesthang des Maell a‘ Chaorainn einen wunderschönen Zeltplatz. Kurz vor Sonnenuntergang steige ich noch auf den 910 Meter hohen Gipfel, den ich über technisch einfache, aber teilweise recht steile Grashänge und zwei kurze Felsstufen erreiche. Oben bietet sich mir ein traumhaftes 360°-Panorama. Im Norden kann ich bereits die Ausläufer von Fort William erkennen, etwas östlich davon liegt der Ben Nevis, der höchste Berg Großbritanniens, der sich zum einzigen Mal auf unserer Reise wolkenfrei präsentieren wird. Gen Osten verläuft der lange Grat der Mamore Mountains mit seinen vielen Munros und im Süden und Westen zwängen sich die fjordartigen Arme des Atlantiks zwischen die dunklen Berge.

Unsere letzte Etappe führt uns in eine waldreiche Schlucht und weiter in Richtung Glen Nevis. Bevor wir in das Tal absteigen, machen wir noch einen Abstecher zum An Dùn, einem tollen Aussichtshügel direkt gegenüber des Ben Nevis, dessen Gipfel diesmal allerdings leider in Wolken liegt. Das finale Stück ab dem Glen Nevis ist leider nicht mehr ganz so schön, denn wir laufen einige Kilometer direkt an der Straße entlang in Richtung Fort William. Schöner ist es, wenn man nicht direkt ins Glen Nevis absteigt, sondern weiterhin oberhalb am Hang des Cow Hills bleibt und erst nach ca. 20 Minuten nach rechts über einen guten Pfad nach Fort William abzweigt. An der Walker’s Statue, mitten in der quirligen Fußgängerzone von Fort William, endet der West Highland Way und damit auch unsere Tour durch dieses wunderschöne Fleckchen Erde im Nordwesten von Europa.


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© 2024 Sebastian Steude

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